Prof. Dr. E. Schöndorf: Schmährede

Schmährede auf Monsanto anlässlich der Verleihung des Black Planet Award am 2.12.2006.

Bravo Monsanto!

90% aller genmanipulierten Pflanzen gehören euch. Erfolge kommen nicht von ungefähr. Eure Logik war: Kaufen, patentieren, Kontrollieren, Kontaminieren … Spitze! Das hat Greenpeace schön erkannt. Eure Strategie erinnert stark an die der deutschen Wehrmacht in den ersten Kriegsjahren. Halb Europa in wenigen Monaten. Handstreichartig. Und auch aus einem anderen Grund ist der militärische Vergleich nicht abwegig. General Schwartzkopf hat es anlässlich des Golfkriegs formuliert: Generäle zählen keine Toten! Das hat er von Euch, nicht wahr?

Und dazu noch das Sichern der Flanken – durch eine unwahre, aber verlockende Werbung: Gentechnik besiegt den Hunger der Welt. Alle denken dabei an Reis, der unter der Last seiner haselnussgroßen Körner fast zusammenbricht – natürlich nur „fast“, denn ihr habt ja die Stengel gentechnisch ebenfalls optimiert. Bei dieser Perspektive interessiert sich kein Mensch mehr für die Wahrheit, die etwas mit banalem Unkraut zu tun hat.

Flankensicherung auch durch geschickte Abwehr kritischer Meinungen. Drei Bosse und ein Anwalt stellen den WDR kalt. Sagen ganz einfach: In eurem Film „Tote Ernte“ wurde falsch recherchiert und wenn der noch einmal gezeigt wird, gibt es eine saftige Schadenersatzklage – sagen wir über 100 Millionen – als Untergrenze. Und noch ein saftiges Schmerzensgeld, denn der Film verunglimpft unser amerikanisches Husarenstück: Dem Rapsbauer Percy Schmeiser wegen unerlaubten Anbaus unseres Genrapses Lizensgebühren abzuverlangen, obwohl unser Raps von einem Nachbarfeld herüber geweht worden war und Percy Schmeisers Bioernte kontaminiert hatte. Super, der Film liegt seitdem beim Sender in der Schublade und hat wahrscheinlich kürzlich Besuch bekommen – vom Contergan-Film, den ein anderer Konzern mittels einstweiliger Verfügung der Öffentlichkeit vorenthält. Das nennt man artgerechte Haltung, denn Pärchen sind nie einsam, auch Filmpärchen nicht.

Eine weitere richtige Entscheidung, die dem Erfolg dienlich war: Ihr habt euch kein schlechtes Gewissen einreden lassen. Weil Ihr genau wisst, dass Ihr nichts kaputt macht, sondern im Gegenteil die Natur noch optimiert! Der Mais hatte Jahrmillionen Zeit um sich gegen den Maiszünsler zu behaupten. Er hat die Zeit nicht genutzt! Da habt ihr ihm unter die Arme gegriffen und ihm ein Gen aus eurer Hexenküche zur Verfügung gestellt. Darauf könnt ihr stolz sein!

Zur vielbeschworenen Abhängigkeit der Landwirte vom Konzern sage ich nur: Ihr habt ein Recht darauf, für eure Forschung die adäquate Gegenleistung zu bekommen! Dass da ein paar bei Monsanto verschuldete Bauern in Indien Selbstmord begehen, anstatt ranzuklotzen um ihr Konto wieder ausgleichen zu können, ist nicht euer Problem. Gut, Ihr hättet bei der Auswahl eurer Zielobjekte mit ein bisschen mehr Fingerspitzengefühl vorgehen können. Der Geist der Gewaltlosigkeit eines Mahatma Ghandi, der in Indien offenbar schon genetisch verankert ist, kann nur Weicheier gebären. Andererseits kann ich euch verstehen: 40 Mio Ha. Baumwolle waren schon verlockend. Aber ändert sich eigentlich etwas, wenn ein Habenichts Schulden macht? Und zudem: Die Lebenserwartung der indischen Bauern ist so gering, dass der Tod praktisch mit der Geburt zusammen fällt.

Aber müsst ihr euch eigentlich ständig rechtfertigen? Dazu von meiner Seite aus ein klares Nein! Denn ihr habt einen wichtigen Verbündeten: die Evolution. Und an deren Gesetzen habt ihr euch orientiert. Danach ist das Recht ist auf der Seite der Stärkeren – das ist ein Naturgesetz. Da könnt ihr euch sogar auf Adolf Hitler berufen. Für den war das Gewissen eine Erfindung der Juden. Hitler hatte jedenfalls die Logik der Welt begriffen: der Stärkere, der Fittere, der Schnellere, sie alle haben recht! Auch der Löwe, der das gerade geborene Gazellenbaby frisst, hat recht! Das übersehen unsere Filmemacher in der Serengeti gerne. Gerade wenn der König der Savanne zum tödlichen Schlag ausholt, blenden sie aus und zeigen ein kopulierendes Pavianpärchen vor dem Hintergrund des majestätischen noch schneebedeckten Kilimandscharo, ohne allerdings auch nur ein Wort zu der Frage zu verlieren, ob es sich um einvernehmlichen Sex oder um eine Vergewaltigung handelt. Uns kann das alles sowieso egal sein; das Alphatier hat in jedem Fall recht.

Vor diesem Hintergrund werdet ihr weitermachen, werdet die Träumer von Montesquieu bis Albert Schweitzer, von Percy Schmeiser bis Diane Wilson in die Schranken weisen, werdet von Erfolg zu Erfolg eilen. Wenn ihr die Bauern in Amerika und endlich auch in Europa unterjocht habt, macht ihr eine ganz neue Tür auf. Das Spiel mit den Genen ist ein Spiel der Beliebigkeit. Ein Spiel ohne Grenzen. Open End für den Profit. Die neue Tür. Ich will euch einen Vorschlag machen, obwohl ich mir denken könnte, dass ihr schon an den Details arbeitet.

Also: Ihr schlagt in Asien zu! Da füttert ihr Regierungen und Landwirte mit einem Leckerli an. Beispielsweise mit gentechnisch verändertem Reis und Soja, die gegen Herbizide resistent sind, die sämtliche Unkräuter bedingungslos killen (wobei ihr natürlich verschweigt, dass die freiwerdenden Biotope von neuen Unkräutern besetzt werden, die ihrerseits resistent sind gegen das ursprüngliche Spritzmittel, was mittelfristig zu einem erhöhten Herbizideinsatz führt). Oder Reis- und Sojasorten, die relevante Mengen Vitamin A enthalten, das Mangelkrankheiten verhindern kann, wenn es, ja wenn es nicht nur in der Schale sitzen würde, die die Asiaten ja nicht mitessen (das verschweigt ihr selbstverständlich auch).

Ihr merkt schon wo es langgeht? Asien und Reis bzw. Soja. Hauptnahrungsmittel für dreieinhalb Milliarden Menschen. Und weil die Steigerung von Profit „mehr Profit“ heißt und die Steigerung davon „noch mehr Profit“ ist, baut ihr ganz nebenbei noch ein melatoninproduzierendes Gen in die Reis- und Sojapflanzen ein (auch darüber absolutes Stillschweigen). Ja, unser Melatonin, das Hormon, das der Körper eigentlich nur produziert, wenn es dunkel wird und das dann die Menschen schlafen lässt. Und während Asien nach und nach immer müder wird, habt ihr die einschlägigen Pharmafirmen vor Ort komplett aufgekauft – und bietet nunmehr Wachmacher an. Dreieinhalb Milliarden Menschen brauchen sie – täglich. Die Kasse klingelt ein zweites Mal!

Und was ist, könnte man jetzt fragen, wenn sich irgendwann Widerstand regt, wenn Geschädigte die Gerichte anrufen, die Ihr noch nicht unter Kontrolle gebracht habt? Dann ist der Gewinn doch schnell futsch, oder?

Monsanto, du Bluffer, oder sollte ich sagen, du Heuchler. Du hast doch längst dagegen Vorsorge getroffen. Hast mit der US-Regierung einen Deal gemacht. Sie übernimmt deine gesamten Asienschulden, die entstehen, wenn dort jemand eure Masche durchschaut!

Warum sich Washington engagiert? Nein, nicht aus Freundlichkeit, auch nicht aus alter Verbundenheit. Wenn es um Geld geht, gibt es keine Freunde. Und genau darum geht es. Es geht um Zahlen mit einem Dollarzeichen davor, eine ganz banale Angelegenheit. Das Weiße Haus kann gut rechnen: addieren, subtrahieren, multiplizieren, dividieren und manipulieren – die fünf Grundrechenarten. Und wie sieht die Rechnung aus, die Amerika zu diesem Haftungsübernahme-Deal veranlasst?

Monsanto, du weißt es aber du musst es nicht zugeben. Du kannst die Aussage verweigern. Ich weiß es doch und sage es auch: Weil Amerika ein fundamentales Interesse hat an einem müden Asien. Deswegen dürfen eure Wachmacher auch nur einen Teil der Müdigkeit wegnehmen, ein relevanter Teil muss sich als untherapierbar erweisen. Denn müde Hirne entwickeln keine Superchips mehr, die sind bei 5 Ghz am Ende. Die haben keinen Bock mehr auf Nanotechnologie, die verstehen sie schon gar nicht mehr. Und was schert sie noch die Optimierung der Brennstoffzelle? Die wollen nur noch in die Hängematte – und da gehören sie ja auch hin. Bill Gates, Texas Instruments, Martin Marietta, Daimler-Crysler – sie alle können wieder aufatmen, können wieder ruhig schlafen, die Geschichte mit dem Machtwechsel war nur ein böser Traum. Amerika bleibt an der Spitze und behält die Märkte in der Hand. Rosige Zeiten. Die Gentechnik besiegt den Hunger in der Welt und macht die Gelbe Gefahr zu einem vernachlässigbaren Restrisiko.

Und das Endziel, wie sieht es aus? Es ist der gentechnisch optimierte Mensch: Schön, jung, gesund, unsterblich. Er ist weiß und spricht englisch. Auch das wirst du noch schaffen, davon bin ich überzeugt.

Chapeau Monsanto!

Ich darf nun den Vertreter des Preisträgers zu mir bitten …