Dr. Winfried Wolf: Schmährede

BP
BARREL PROFITS
BLOATED PROFITS
BLOODY PROFITS

Werter Mr. Bob Dudley! Sie sind aktuell der Chief Executive Officer, der Top-Mann von BP. Sie waren während der Deepwater Horizon-Katastrophe vor Ort der verantwortliche Mann Ihres Unternehmens. Sie erklärten jüngst „Ich hörte Leute sagen, dass wir nach der Bergung des Bohrers unsere Sachen packen und verschwinden. Das ist zweifellos nicht korrekt (…) Schließlich haben wir allein im Golf von Mexiko 35 weitere Ölplattformen“.

Für die Menschen am Golf klang das nicht unbedingt beruhigend. Viele empfanden Ihre Worte als neuerliche Drohung.

Werter Mr. Tony Hayward! Sie standen bis zum 30. September 2010 an der Spitze von BP. Vor ein paar Tagen gaben Sie die Gründung Ihrer neuen Firma „3E Capital“ bekannt – originellerweise eine Firma, die Ölunternehmen berät. Das macht irgendwie auch Sinn. Schließlich waren Ihre Bagatellisierungen der Deepwater Horizon-Katastrophe legendär – etwa, als Sie auf dem Höhepunkt der Deepwater Horizon-Katastrophe erklärten: „Der Ölfleck ist doch winzig verglichen mit der Größe des Golfs“.

Werter Mr. Carl-Henric Svanberg! Sie stehen seit September 2009 und bis heute an der Spitze des Aufsichtsrats von BP. Während der Deepwater Horizon-Katastrophe blieben Sie zwar meist in Deckung. Doch als Sie für ein paar Tage vor Ort in den USA waren, um bei Präsident Obama um gut Wetter für BP zu bitten, da sagten Sie die denkwürdigen Worte: „Manchmal höre ich ja so Sätze, wonach die großen Konzerne einfach nur gierig wären und sich um nichts als um den Profit scherten. Das trifft auf BP nicht zu. Wir kümmern uns ganz besonders auch um die kleinen Leute.“

Auch das wurde vor Ort eher als Bedrohung wahrgenommen.

Werte übrigen Top-Manager dieses Ölkonzerns und werte Herren Großaktionäre von BP! Sie klagten im Sommer dieses Jahres auf einem ausgesprochen hohen Niveau. Und worüber? Nein, nicht über den Verfall der Sitten in Ihrem Unternehmen! Sie beklagten den „Verfall des Unternehmenswerts“ von BP und Sie forderten eine schnelle Wiederaufnahme der Dividendenausschüttungen.

Mr. Dudley, Mr. Hayward, Mr. Svanberg and Misters Stakeholders: Wir haben uns hier versammelt, um Ihnen zu sagen:

Ihr Unternehmen BP buchstabierte sich rund ein Jahrhundert lang als British Petroleum. Das wollen Sie so nicht mehr ausgeschrieben sehen. Tatsächlich hatte US-Präsident Obama unrecht, als er während der Deepwater Horizon-Katastrophe Ihr Unternehmen so buchstabierte. Denn BP ist seit der Übernahme der US-Ölkonzerne Amoco und Atlantic Richfield vor rund einem Jahrzehnt längst zum größten US-amerikanischen Ölkonzern – noch vor Exxon rangierend – aufgerückt.
Doch die Interpretation Ihres Firmenkürzels geht ja weiter. Ihr Unternehmen BP will seit rund einem Jahrzehnt der Öffentlichkeit weismachen, die zwei Buchstaben stünden für „Beyond Petroleum“. Gemeint ist damit, man mache sich bei BP Gedanken für die Zeit nach dem Öl.
Das ist nun allerdings ebenfalls die Unwahrheit. Bereits unter der Ägide von Ihnen, Mr. Hayward, wurde das ohnehin magere Engagement BPs im Bereich alternativer Energien deutlich zurückgefahren. Sie, Mr. Dudley, stehen erst gar nicht im Verdacht, größere sogenannte grüne Investitionen zu tätigen.

In Wirklichkeit stehen die beide Buchstaben „BP“ für

– BARREL PROFITS
– BLOATED PROFITS
– BLOODY PROFITS.

Grob eingedeutscht: Sie stehen
– für maximalen Profit je Fass Öl
– für Profite, die auf Teufel komm raus aufgeblasen – gesteigert – werden
– für eine Profitmacherei, die Tod und Zerstörung in Kauf nimmt.

Oder lassen Sie es mich etwas ungewohnt ausdrücken: Ihr Unternehmen BP steht für die systematische Umsetzung der folgenden Zeilen:

Hier ist Öl! Öl ist hier! Das liegt hier
Was die Motoren laufen macht, was die Schiffe bewegt!
Das kolbenschmierende Öl liegt hier im Boden!
Das die Städte hell macht! Schnell!
Verwandelt Euch in Ölsucher, ihr Ziegenhirten! Schnell!
Schafft das Öl an die Oberfläche, tragt den Felsen ab, bohrt
Den Boden an, Bauern!

Aber da sind Ziegenherden, die auf dem Feld grasen!
Aber da stehen Wohnhäuser, die 100 Jahre alt sind!
Aber da sind Grundbücher und Besitztitel!

Schnell! Schafft alles weg, was zwischen uns und dem Öl steht!
Weg mit den Ziegenherden! Weg mit den Wohnhäusern!
Und weg mit den Grundbüchern und Besitztiteln!
Hier ist Öl! Öl ist hier! Das kolbenschmierende Öl ist hier
Und das die Städte hell macht.

Soweit die Lyrik.
Und nun wieder Prosa: Ich bin mir sicher, dass der Mann aus Augsburg, Bertolt Brecht, der diese Zeilen in den 1920er Jahren schrieb, vor dem Hintergrund des Ereignisses Deepwater Horizon seine Feststellungen bestätigt gesehen – und zugleich den Wunsch empfunden hätte, diese zu vertiefen und zu konkretisieren. Sie lassen sich für BP im besonderen und am Beispiel des Ölgeschäfts im allgemeinen auf dreifache Weise konkretisieren.

1. Ebene: Die Kontinuität der Profitmaximierung ohne Rücksicht auf Sicherheit und Menschenleben

Die BP-Verantwortlichen demonstrieren seit vielen Jahren die beschriebene ausschließliche Orientierung auf eine rücksichtslose Gewinnmaximierung. Ich darf den Herren Geschmähten ins Gedächtnis rufen:
2004 explodierte ihre Raffinerie in Texas. 15 Arbeiter wurden getötet. Die Untersuchungskommission konstatierte als Unfallursache: Das „Fehlen elementarer Sicherheitsstandards“; ein Sparen bei der Sicherheit.
Nur ein Jahr darauf – im Jahr 2005 – leisteten Sie sich einen der bis dahin spektakulärsten Unfälle, denjenigen in Alaska. Damals traten aus einem Leck in Ihrer BP-Pipeline mehr als 800.000 Liter Öl aus – mit verheerenden Folgen für Flora und Fauna der Region. Das zuständige Gericht urteilte hinsichtlich der Ursachen: „BP hat es versäumt, ausreichende Mittel für den sicheren und umweltgerechten Betrieb der Pipeline aufzuwenden.“ Das war noch schön gefärbt. Tatsächlich erwies sich das Pipeline-Rohrsystem über weite Strecken schlicht als verrottet und als verrostet.

Diese krasse Kontinuität ist auch für die Deepwater Horizon-Katastrophe dokumentiert. Da waren Warnsysteme abgeschaltet – mit der Begründung, man wolle die Arbeiter auf der Plattform nicht mitten in der Nacht durch Fehlalarme stören. Kurz bevor die Plattform explodierte, gab es auf dieser den folgenden aufschlußreichen Disput: Das Ölausrüstungsunternehmen Halliburton war zu diesem Zeitpunkt damit beauftragt, am Meeresboden Zement zwischen Bohrloch und Gestein zu füllen. Die Halliburton-Leute schlugen den Einsatz von 21 Stahlstützen zur Justierung und Stabilisierung des Rohrs am Bohrloch vor. Die BP-Verantwortlichen argumentierten, sechs Stützen müssten ausreichen – mehr befanden sich nicht auf der Plattform. BP hatte das Sagen. BP gewann den Disput. Die zusätzlichen Stützen selbst wären nicht allzu teuer gewesen. Doch das Einfliegen weiterer Stützen hätte knapp einen Tag bedeutet. 24 Stunden ohne Profit-Fluss aus dem Bohrloch.
24 Stunden kein BP – 24 hours no BARREL-PROFITS.

Und wie reagierten Sie, die Herren von BP, in der Katastrophe? Clever und schweinisch zugleich. Sie ließen mehrere Millionen Liter Dispersionsmittel im Bereich der Bohrstelle und der Ölteppiche ausbringen. In der Folge konnte man das Öl mit TV-Kameras kaum noch erkennen. Das brachte also gute Presse. Doch die Dispersionsstoffe selbst sind extrem schädlich. Manche Wissenschaftler sind der Aufassung, diese seien noch schlimmer als das Öl selbst.
Grundsätzlich wussten Sie, was Sie da taten. Denn so sieht die Bilanz der Exxon-Valdez-Katastrophe in Alaska aus dem Jahr 1989, als ein Tanker des US-Ölkonzerns Exxon auf ein Riff lief und 41 Millionen Liter Öl ins Meer flossen, aus: Diejenigen Küstenbereiche, in denen Dispersionsmitel ausgebracht wurden, sind noch heute schwer geschädigt. Wohingegen die Bereiche, die „nur“ von dem ausgetretenen Öl betroffen waren, sich deutlich besser erholen.

Hey Tony, hey Bob, hey Carl-Henric! Nicht vergessen sollten wir Ihren echt coolen, ebenso professionellen, wie profitgeilen Umgang mit Öffentlichkeit und mit den Medien: Sie schlossen noch während der Deepwater Horizon-Katastrophe Verträge mit Dutzenden von Wissenschaftlern „mit Fachkenntnissen über den Golf von Mexiko“. Diese sollten dann einerseits die „Folgen der Ölpest untersuchen“. Andererseits wurden sie – gegen gutes Geld versteht sich – verpflichtet, ihre Ergebnisse drei Jahre lang nicht zu veröffentlichen.

That´s really sophisticated Mr. Dudley, Mr. Hayward, Mr. Svanberg!

2. Ebene: Die Tiefseebohrungen selbst

Ich muss für Sie, werte Herren von BP, nicht in extenso zum Thema peak oil referieren. Sie wissen seit langer Zeit Bescheid – vor allem aus ganz praktischer Erfahrung: aufgrund des Versiegens Ihrer eigenen Ölquellen und des langfristigen Rückgangs Ihrer Ölreserven. Auch wissen Sie wie ich, dass Sie zu Ihrem großen Bedauern durch politische Ereignisse – wie Enteignungen und Verstaatlichungen – an der fortgesetzten Ausbeutung lukrativer Ölquellen auf dem Festland abgeschnitten wurden – unter anderem im Nahen und Mittleren Osten und in Nordafrika. Diese zwei Faktoren zusammen – peak oil und Verstaatlichungen – erklären zu einem großen Teil die enorme Zunahme der Zahl von Tiefseebohrungen, die die traditionellen westlichen Ölkonzerne wie Exxon, Royal Dutch Shell und BP durchführen, und die unglaubliche Steigerung der Tiefe, mit der inzwischen diese Bohrungen durchgeführt werden.

Nehmen wir das Ihnen gut vertraute Beispiel des Golfs von Mexiko.

Zwischen 1960 und 1980 schwankte die durchschnittliche Tiefe der Ölbohrungen in dieser Region zwischen 800 Metern und 1000 Metern. Seitdem ist sie hochgeschnellt auf im Durchschnitt 1800 Meter. Es geht, wohlgemerkt, immer um die Bohrtiefe – ab Eintritt der Bohrung in die Erdkruste.
In den letzten fünf Jahren gab es dann eine Entwicklung, bei der man im Grunde erkennen konnte, dass sich eine Katastrophe abzeichnete.
2005 wurde der Rekord von 1500 Meter Bohrtiefe erreicht.
2007 waren es 2.150 Meter.
2009 bereits 3.600 Meter – oder 3,6 Kilometer.

Wenige Tage, bevor die Plattorm explodierte, ließen Sie auf Deepwater Horizon eine Sause wegen eines neuen Tiefsee-Bohr-Rekords steigen: 1500 Meter unter der Plattform und unter dem Meeresspiegel war der BP-Bohrer zusätzliche 4000 Meter in die Erdkruste vorgedrungen. Die gesamte Distanz zwischen Bohrplattform und Ölfeld – dem Eindringen der Bohrung in das Ölfeld – liegt damit bei 5.600 Metern oder 5,6 Kilometern.

Nun sagen Sie, Herr Dudley, man habe aus der Katastrophe gelernt. In Zukunft werde man „noch mehr verantwortungsbewusst“ handeln und „noch stärker als zuvor das Thema Sicherheit in das Zentrum rücken“. Wir erlauben uns, Sie darauf hinzuweisen: Noch während das Öl aus dem BP-Bohrloch im Golf sprudelte, kündigten Sie an, eine neue, politisch besonders brisante Tiefseebohrung durchzuführen: im Golf von Sirte, vor der libyschen Küste. Gewissermaßen gilt hier: back to the roots: BP war mal in Libyen gut im Geschäft. Die BP-Anlagen im Land wurden in den 1960er Jahren verstaatlicht.

Aber jetzt sind Sie plötzlich wieder dick im Geschäft. Wie das ging? Ganz einfach: BP hat sich bei der britischen Labour-Regierung massiv dafür eingesetzt, dass ein mutmaßlicher und von einem britischen – genauer: einem schottischen – Gericht verurteilter libyscher Lockerbie-Attentäter vorzeitig aus dem Gefängnis in Schottland frei kam – angeblich wegen unheilbarer Krebserkrankung. Wie sich herausstellt, ist der Mann pumperlgesund. Vor noch mehr Gesundheit strotzt jetzt das BP-Business in Libyen.

Ich darf Sie, Herr Tony Hayward, daran erinnern: Sie waren es, der wenige Wochen vor der Explosion der Deepwater Horizon sagte „Mit den Tiefseebohrungen stoßen wir ständig an die Grenzen von Technologie und Geologie.“

Das trifft so zu auf die Tiefseebohrungen. Das trift zu auf Projekte, Öl aus Teersand zu gewinnen – womit riesige Regionen von der Größe des Staates Belgien umgepflügt und in zerstörte Landschaft verwandelt werden. Das trifft zu auf die Projekte der Ölförderung vor Grönland oder im Umfeld der Polarkappen.

Es gibt tatsächlich diese „Grenzen“, von denen Sie sprechen, Herr Hayward. Es handelt sich um natürliche Grenzen oder um umweltpolitisch bedingte Grenzen. Allerdings werden gerade diese von Ihnen nur erkannt, aber nicht anerkannt. Denn grenzenlos ist die Profitgier Ihres Unternehmens.

Oder, in Abwandlung der zitierten Verszeilen:

Schafft das Öl an die Oberfläche!
Tragt den Felsen ab, bohrt
den Boden an
Schafft alles weg, was zwischen uns und dem Öl steht
Weg mit den Sandstränden!
Weg mit den Regenwäldern!
Und weg mit den Eisbergen und den Polarkappen
Schnell! Schafft alles weg, was zwischen
Uns und dem Öl steht.

3. Ebene: Das Ölbusiness als solches

Werte Zuhörerinnen und Zuhörer, lassen Sie mich zum Schluss auf die Ölbranche und das Ölgeschäft als solches zu sprechen kommen. Nein, das soll nicht der Entlastung der Herren Hayward, Dudley, Svanberg et alii dienen. Es gibt jedoch einen größeren Zusammenhang, in dem die Deepwater Horizon-Katastrophe und unsere Schmähung der BP-Verantwortlichen gesehen werden muss.

BP zählt – zusammen mit Exxon und Royal Dutch Shell – zur Dreier-Führungsgruppe der Welt-Ölbranche. Die internationale Ölbranche wiederum steht im Zentrum des Öl basierten Kapitalismus.

Das seit rund 100 Jahren etablierte Modell des Öl basierten Kapitalismus wiederum ist maßgeblich dafür verantwortlich, dass Umwelt in bisher nie dagewesenem Umfang zerstört, gewaltige neue Risiken eingegangen werden und dass es zu einer die menschliche Existenz bedrohenden Klimaveränderung zu kommen droht.

Unsere Schmähung trifft die verantwortlichen Personen bei BP einerseits direkt. Andererseits indirekt.

Die Anlage von Kapital in den Sektoren Ölexploration, Ölverarbeitung, Autoindustrie und Flugzeugbau ist inzwischen so groß, dass allein von der schieren Größe und dem dem Kapital inhärenten Prinzip der Profitmaximierung ein fortgesetzter Druck zur Intensivierung eben dieses Modells des Öl basierten Kapitalismus ausgeht. Ein Drittel des Umsatzes der 500 größten Konzerne der Welt – der Global 500 – entfällt auf die Öl-Auto-Flugzeug-Gruppe. Das gilt auch für die Profitmasse dieser Gruppe – ein Drittel konzentriert sich dabei auf die Öl-Auto-Flugzeugbau-Gruppe.
Das heisst: Öl schmiert im physischen Sinn die Weltwirtschaft. Ölgewinne schmieren im betriebswirtschaftlichen Sinn den real existierenden Kapitalismus. Und Öl schmiert im übertragenen Sinn das Politik-Business. Auch für die letztgenannte Funktion gibt es Zahlen: Allein BP investiert in den USA pro Jahr 16 Millionen US-Dollar für „Lobbyarbeit“. Insgesamt gibt die Ölbranche allein in den USA gut 50 Millionen US-Dollar im Jahr dafür aus, um sich eine dem Ölbusiness gefällige Politik zu kaufen.
Es gibt den Begriff der „self fulfilling prophecy“. Im vorliegenden Fall haben wir es zu tun mit „self fulfilling property“, mit einem spezifischen Eigengewicht des Ölsektors in der Weltwirtschaft, das sich ständig weiter vergrößert.
Natürlich haben die eingangs erwähnten Herren den black award persönlich verdient. Er sei ihnen jedoch zugleich stellvertretend für die Ölbranche als Ganzes und für das vorherrschende Modell des Öl basierten Kapitalismus zuerkannt.

Ein „Beyond Petroleum“ ist im Grunde tatsächlich die richtige Zielsetzung. Sie wird aber nur zu realisieren sein, wenn wir auf beyond capitalism oder zumindest auf ein Jenseits zum vorherrschenden Modells des Öl basierten Kapitalismus und des Prinzips, Profit vor Mensch, Natur und Klima zu stellen abzielen.

Die gegenwärtige Entwicklung läuft jedoch auf das Gegenteil hinaus. Auf ein „nach uns die Sintflut“. Spätestens seit 1973, mit der ersten sogenannten Ölkrise, ist bekannt, das Öl ein extrem knapper Rohstoff ist. Es entspräche normaler menschlicher Ratio dann die Weichenstellungen dafür vorzunehmen, so schnell wie möglich vom Öl wegzukommen. Entsprechend der – allerdings erst jüngst, also spät geäußerten – Einsicht von Fatih Birol, dem Chefökonom der Internationalen Energieagentur: „Wir sollten das Öl verlassen, bevor es uns verlässt.“
Doch seit mehr als 100 Jahren – und auch während der vergangenen drei Jahrzehnte – findet der entgegengesetzte Prozess statt. Die Konzentration des Weltkapitals auf die beschriebene Öl-Auto-Gruppe verstärkt sich. Dieser Prozess ist aus menschlicher Sicht irrational – auch wenn er der Logik des angelegten Kapitals folgt. Man kann auch sagen, diese Wirtschaftsentwicklung und damit zugleich die Verdichtung des American way of life, der längst der weltweit – zunehmend auch in Schwellenländern wie China – der allgemeine, weltweit vorherrschende way of life ist, trägt pseudoreligiöse Züge.

Nochmals in den Worten des Herrn aus Augsburg – und nochmals prophetisch bereits in den 1920er Jahren geschrieben:

Ohne Einladung
Sind wir gekommen
Siebenhundert (und viele sind noch unterwegs)
Und haben Dich gesehen
Plötzlich über Nacht
Öltank.
Eilet herbei, alle
Die ihr absägt den Ast, auf dem ihr sitzet
Werktätige!
Gott ist wiedergekommen
In Gestalt eines Öltanks.
Was ist für Dich ein Gras?
Du sitzest darauf.
Wo ehedem ein Gras war
Da sitzest jetzt Du, Öltank!
Und vor Dir ist ein Gefühl
Nichts.
Darum erhöre uns
Und erlöse uns von dem Übel des Geistes.
Im Namen der Elektrifizierung
Der Ration und der Statistik!

Mr. Dudley, Mr.Hayward, Mr. Sandberg, Misters Stakeholders!

Es ist IHR Gott, der

wiedergekommen ist / In Gestalt eines Öltanks.

Sie sind dafür verantwortlich, dass Brechts Zeilen zutreffen:

Wo ehedem ein Gras war / da sitzest jetzt Du, Öltank!

Es ist IHRE Philosophie, es ist das Geschäftsmodell BP = BARREL-Profits, die da heißt:

Und vor Dir ist ein Gefühl / Nichts.

Wir hingegen

sägen nicht ab den Ast, auf dem wir sitzen.

Aus diesen Gründen seien Sie geschmäht. Aus diesen Gründen sagen wir Ja zu einer Gesellschaft

– beyond petroleum
– beyond bloated profits
– beyond barrel profits

Ja zu einer Gesellschaft, in der der Mensch, menschliche Bedürfnisse, Natur und Umwelt und die Solidarität im Zentrum stehen.

 
BP-Schmährede in der Neuen Rheinischen Zeitung vom 01.12.2010