Dr. Vandana Shiva: Lebenslauf

‚… aber ich glaube nicht, dass politische Führer noch frei sind. Sie sind einfach nur Gesichter. In einer globalisierten Welt sind große Unternehmen die wirklichen Herrscher. Die wirkliche Regierungsgewalt liegt in den Händen des globalen Finanzkapitals, der institutionalisierten Gier. Das müssen wir sprengen – eine riesige Herausforderung für die Demokratie.‘ Stern-Interview mit Vandana Shiva (Ausgabe 23/2007)

Sie ist promovierte Quantenphysikerin, Umweltschützerin, Feministin und Bürgerrechtlerin, Vorstandsmitglied im Weltzukunftsrat und Trägerin des Alternativen Nobelpreises und vieles mehr.

Die charismatische Inderin Vandana Shiva wurde am fünften November 1952 in dem versteckten Tal Dehradun am Fuß des Himalaya geboren.

Der Grundstein für ihr ökologisches und soziales Engagement liegt bereits in Ihrer Kindheit. Sowohl ihre Mutter als auch ihr Vater entschließen sich aus Liebe zur Natur, den staatlichen Dienst, sie den Schul-, er den Militärdienst
aufzugeben, um als Bauern und Waldhüter zu arbeiten. Von Ihren Eltern lernt Sie, die Natur zu lieben und zu achten. Schon früh erfährt sie aber auch, welche gravierenden Auswirkungen die wirtschaftliche Erschließung auf die Umwelt ihrer Umgebung hat.

Bereits als junge Schülerin der „St Mary’s School“ in Nainital und später der „Convent of Jesus and Mary“ in Dehradun hat Vandana einen Traum, Sie will Wissenschaftlerin werden, wie ihr großes Vorbild Albert Einstein. Die Lehrerinnen ihrer Schule, zum Teil deutsche Nonnen, sind alles andere als begeistert und versuchen sie davon ab zu halten, ohne Erfolg.

Shiva schließt das Physikstudium an der „University of Western Ontario“ in Kanada, mit der Promotion über die Quantentheorie „Hidden Variables and Non-locality in Quantum Theory” ab. Statt einer möglichen wissenschaftlichen Karriere in den USA entscheidet sie sich dafür, nach Indien zurück zu gehen. Dort widmet sie sich der interdisziplinären Forschung von Technik, Umwelt und Politik am „Indian Institute of Science“ und am „Indian Institute of Management“ in Bangalore.

Neben der Unterstützung der Bevölkerung im Kampf gegen die Rodung großer Gebiete mit ihrem Fachwissen, engagiert sich Shiva in den 1970er Jahren unter anderem in der ersten indischen Umweltvereinigung, der Chipko-Bewegung. Die unbelesenen Bauernfrauen aus dem hohen Himalaja lehren sie, durch ihren Kampf, erneut den Wert der Natur zu erkennen und die Dringlichkeit diese verteidigen zu müssen. Shiva versucht bei der Unterstützung, vor allem ihr Fachwissen zu benutzen, um die mit internationalen Wirtschaftsorganisationen und staatlichen Stellen wenig vertrauten Einheimischen, vor Bevormundungen zu schützen. Auch scheint mit diesem Kampf der Grundstein für ihre feministische Arbeit gelegt.

Aus ökologischer Perspektive spielen Frauen, insbesondere beim Kampf um Biodiversität und gegen Biopatente eine entscheidende Rolle. Shiva kritisiert, dass Frauen und Natur durch die industrielle Revolution auf ihre Rolle als Lieferanten von menschlichem und natürlichem Rohmaterial reduziert worden seien.

1982 gründet sie – in dem ehemaligen Kuhstall ihrer Mutter – das unabhängige Institut „The Research Foundation for Science Technology and Ecology„ in Dehra Dun, das sie heute noch leitet. Ihre Umwelt und Sozial-Studien entstehen in enger Zusammenarbeit mit der Bevölkerung und sozialer Organisationen und zeugen von Unabhängigkeit und Professionalität.

Neben ihrem sozialen Engagement berät sie auch die Welternährungsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen und ist Vorstandsmitglied im Weltzukunftsrat.

Ihr Einsatz für selbstbestimmte Entwicklungswege, der als indische Graswurzel-Initiative begann, führt sie in internationale Industrie- und Handelskreise. Heute gilt Vandana Shiva als eine der wichtigsten globalen Aktivisten für Biodiversität und ökologische Landwirtschaft, als Globalisierungskritikerin spielt sie im Kampf gegen Gentechnik eine zentrale Rolle. Das Leben ist in seiner ganzen Verschiedenheit und Andersartigkeit für Shiva ein zu Schützendes Gut. Im Jahr 1991 gründet sie deshalb die nationale Bewegung „Navdanya“, die sich dem Schutz der Biodiversität und dem pluralistischen Lebensformen widmet. Mit ihren Büchern “The Violence of Green Revolution”1993 und “Monocultures of the Mind” ebenfalls 1993, setzt sie in der Landwirtschaft einen Paradigmenwechsel zur Nachhaltigkeit, Diversität und fairem Handel, in Gang. Im selben Jahr wird Shiva, für ihre Pionierstellung im Kampf gegen einen dominanten Weltmarkt, der sich auf Kosten der Menschen und der Umwelt durchsetzt, der Alternative Nobelpreis verliehen.

Vandana Shiva legt ihrer feministische Arbeit einen großen Stellenwert ein. Mit den Werken wie „Staying Alive: Women, Ecology and Survival in India” 1988 und „Ecofeminism” von 1993, das in Zusammenarbeit mit Maria Mies entstand, richtet sie die Aufmerksamkeit der Welt auf die herausragende Rolle der Frauen in Entwicklungsländern und platziert Frauen und Ökologie in das Zentrum des modernen Diskurses um Entwicklungshilfe. Sie gründet den Zweig „Genderforschung“ am „International Centre for Mountain Development” (ICIMOD) in Kathmandu und die internationale Bewegung „Diverse Women for Diversity”. Dabei versucht sie alle Bereiche ihres politischen und Sozialen Kampfes miteinander zu verbinden.

Als einen wichtigen Wandel unserer Zeit sieht Shiva die Überwindung und Befreiung von drei Formen des Kolonialismus. Zu erst steht die Kolonisierung der Natur, die zur ökologischen Krise geführt hat, zweitens die Kolonisierung der Frauen, die das weibliche Geschlecht als minderwertig sieht und zum Kampf der Geschlechter und zu Gewalt gegen Frauen geführt hat. Und drittens steht die Kolonisierung der nicht-westlichen Kulturen, die zum ‚Dritte-Welt-Problem’ geführt hat und sich in den Debatten im Nord-Süd-Konflikt ausdrückt. Alle diese drei Probleme müssen, davon ist Vandana Shiva überzeugt, gemeinsam gelöst werden.

In weiteren Publikationen wie „Biopiracy:The Plunder of Nature and Knowledge” 1997 “Stolen Harvest The HIJACKING of the GLOBAL FOOD SUPPLY” 1999 und “Water Wars” 2001 macht Shiva unermüdlich auf die sozialen, ökonomischen und ökologischen Folgen der Globalisierung aufmerksam.

Erfolgreich bekämpft sie die Biopiraterie großer Konzerne für Saatgut und unterstützt internationale Kampagnen gegen genetisch veränderte Lebensmittel. Sie dient außerdem als Expertin in Gesetzfindungsgremien wie beispielsweise für IPR (intellectual property).

2004 eröffnet Vandana die internationale Hochschule „Bija Vidyapeeth” für nachhaltiges Leben in Zusammenarbeit mit dem „Schumacher College“ in Großbritannien.

Wegen ihrem weltweiten Engagement für soziale Gerechtigkeit und den aussagekräftigen Forschungsarbeiten wird Vandana Shiva an Universitäten weltweit gerufen (wie der University of Oslo, dem Schumacher College, dem Mt. Holyoke college in den U.S.A, der York University in Canada und viele mehr).

Schier unendlich scheint, Vandana Shivas Einsatz für eine gerechtere Welt zu sein. Ihre Unabhängigkeit und Professionalität ebnen ihr die Arbeit als Beraterin sowohl für die indische als auch für ausländische Regierungen, für NGOs und internationale Organisationen.

Neben all ihren internationalen Erfolgen und Preisen vergisst sie jedoch nicht die eigentlichen Ziele aus den Augen. Ihre ganze Arbeit zielt auf ein harmonisches Leben aller Lebewesen mit der Umwelt ab, dazu gehört der Respekt untereinander und die Beibehaltung der eigenen Souveränität.

Shivas Verständnis von Demokratie (Earth-Democracy) geht weit über die herrschende westliche Definition hinaus: Hier werden demokratische Rechte für alle Lebensformen auf dem Planeten eingefordert, statt nur für Menschen. Ihre Bewegung fordert neben Wahlrechten neue Freiheiten für die Gestaltung der eigenen Lebensweise und will die Souveränität der Bevölkerung über die Wasserqualität, die Nahrungsmittel und die Qualität der Kleidung zurückfordern.

Sie beruft sich auf die universelle Gültigkeit ökologischer Naturgesetze und stellt die Gültigkeit internationaler Handelsabkommen prinzipiell in Frage. Der zentralisierten Macht der Konzerne setzt sie dezentrale Strukturen auf der Basis friedlicher Koexistenz entgegen und baut auf die Werte des Mitgefühls, der gegenseitigen Hilfe und des Teilens.

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