Offener Brief an die US-Aufsichtsbehörden

US Behörde für Arbeit, Sicherheit und Gesundheit

(US Department of Labor Occupational Safety & Health Administrations)
Wilson Plaza 606 N Carancahua Ste. 700
Corpus Christi, Texas 78476

Wen immer es interessiert:

Wir, die „Injured Workers United“ aus dem Bezirk Cahoun, Texas, wenden uns an Sie, um unserer Sorge über das Werk von FORMOSA PLASTICS GROUP in Point Comfort/Texas Ausdruck zu verleihen. Wir sind ehemalige Arbeiter der FPG, einige von uns sind noch beschäftigt bei diesem Konzern. Wir haben uns zusammengeschlossen und diese Initiative gegründet, um uns gegenseitig zu unterstützen im Rahmen unserer erlittenen gesundheitlichen Beeinträchtigungen, unserer Krankheiten, unserer finanziellen Nöte und den Erfahrungen, dass wir bei einem Konzern arbeiten, der ein hohes Maß an Missachtung seiner Arbeiter, der Gesellschaft und der Umwelt an den Tag gelegt hat und noch immer legt.

Einige von uns haben bei FORMOSA in Point Comfort/Texas gearbeitet, seit das Werk 1981 errichtet wurde. Viele von uns waren 18, 20, 25, 27 Jahre bei FPG beschäftigt und haben eine andauernde Gleichgültigkeit der Firma gegenüber ihren Beschäftigten und ein gefährliches Unvermögen in der Geschäftsführung erfahren müssen.

Aktuell hat die US-Umweltbehörde (Environmental Protection Agenca/EPA) FORMOSA PLASTICS GROUP mit einer Strafe von 13 Millionen US-Dollar belegt. Das berrascht uns nicht. Keiner von uns hat davor zurückgeschreckt, sich mal zu beschweren, aber zumeist waren unsere Beschwerden über nicht dokumentierte Einleitungen (von Abfall-Giften), unsichere Anlagen, reparaturbedürftige Stiegen und Arbeitsbühnen und offene Vinylchloid-Lecks derart gewichtig, dass sie im „Kontrollraum“ unter Verschluss genommen wurden. Unsere Beschwerden wurden an das Management von FPG geschickt, wo sie im Nichts verschwanden. Einige von uns habensich auch bei Behörden auf Staats- und Bundesebene beschwert und halfen 2001 mit Informationen bei den Abwasser-Nachforschungen, in deren Verlauf das FBI (Staatspolizei/Federal Bureau of Investigation) Abwasser-Unterlage bei FORMOSA beschlagnahmte. Auch diese Beschwerde verlief im Sande, einer der Untersuchungsagenten sagte im letzten Treffen, dass die Untersuchung beendet wurde, obwohl die Sondereinheit des EPA/FBI eine Anklage gegen FORMOSA vorbereitet hatte.

Die Missstände wurden nicht beendet. Und das ist, so nehmen wir an, der Grund für die aktuell gegen FORMOSA verhängte Vergleichszahlung von 13 Millionen US-Dollar. Wir nehmen an, dass sogar die EPA es mit FORMOSA satt hat. Neuerliche Ergebnisse der EPA-Untersuchungen im FORMOSA-Werk Point Comfort/Texas zeigten erhöhte Schadstoff-Emissionen und Verletzung der Reparatur-Pflichten, fehlerhafte Aufzeichnungen bei undichten Anlagen (alleine 500 undichte Stellen in einer Einheit), Nachlässigkeit bei der Suche nach undichten Stellen und bei der Reparatur von Lecks. Die Inspektoren fanden „beträchtliche“ Verletzungen der Pflicht, Lecks aufzuspüren und zu beheben, ebenso wie andere Abfallvergehen und Verletzungen des Umgangs mit Abwasser.

Im Januar 2009 veröffentlichte das Wissenschaftsjournal „Ecotoxicity“ einen Bericht von Wissenschaftlern der Texas A&M (einer Universität in der Nähe von Houston). Der Bericht befasste sich mit Veränderungen der Chromosomenstruktur und anderen genetischen Schäden bei Rindern in einer Sechs-Meilen-Zone im Abwind der FORMOSA-Anlagen. Die Erbgut-Veränderungen können das Krebs- und Reproduktionsrisiko der Tiere erhöhen. Auf Grund der starken und stetigen Winde aus Südosten gehen die Wissenschaftler davon aus, dass FORMOSA die hauptsächliche Verantwortung trägt, denn Rinder im Abwind bzw. nordöstlich der FPG-Anlagen zeigen deutlich mehr genetische Veränderungen. Die Ergebnisse sind „ein starker Hinweis auf einen erhöhten Schaden“. Wesley Bissett, die leitende Verfasserin der Studie und Veterinärin der Texas A&M für Veterinärmedizin, sagte, dass die Rinder mit den DNA-Schäden „im Umkreis der FORMOSA-Anlagen zu finden sind, wobei die höchsten Schäden in direkter Nähe der Anlagen oder in der Abwindzone auftreten“. Bissett berichtete von Schäden sowohl in der Nähe der Anlagen als auch in den Zonen, in die die Winde die giftigen Emissionen wehen.

Im Oktober 2009 wird die EPA in Calhoun County ein Treffen durchführen, das sich mit den umfangreichen Ethylendichlorid-Verseuchungen befasst, die durch Unfälle und generelle Unachtsamkeiten verursacht wurden. Diese Verseuchungen führten zur Sperrung einer nahegelegenen Raststätte am Highway 35, zum Verkauf nahegelegener Grundstücke, zur Abdeckung des belasteten Bodens mit 1,50m Erde, zur Verseuchung des Grundwassers und des nahegelegenen Cox Creek. Selbst die lokale Wasserversorgung ist zur Zeit unsicher. Die Gründe unseres Schreibens sind mannigfaltig. Wir denken, dass der gefährliche Umgang von FORMOSA mit der Umwelt nur bedeuten kann, dass der Umgang mit arbeitsrechtlichen Problemen ebenso gefährlich ist. Wir zumindest sind davon überzeugt. Viele von uns haben Thrombocyten, neurologische Schäden, kognitive Beeinträchtigungen, ernste periphere Neuropathien – all das kann nur behandelt werden mit implantierten Geräten, die das Nervensystem kontinuierlich mit Morphium versorgen. Eines unserer Mitglieder hat einen Freund an seinem Arbeitsplatz, der an einem Gehirntumor starb. Ein anderer Arbeiter, der die Ventile und Verbindungen kontrollierte, die die EPA unlängst aufführte, starb an Leberkrebs. Bei einer Anzahl von Arbeitern entwickelten sich Knoten am Kopf und ihnen wurde von Freunden geraten, eine Biopsie durchführen zu lassen. Sie taten es nicht, denn sie hatten Angst vor der Diagnose: Gehirntumor.

Die Sorge wegen der Gehirntumoren war unter den Kollegen derart verbreitet, dass FORMOSA ein Memo an alle Beschäftigten im Vinyl-Bereich sandte, in dem sie mitteilten, dass sie einen Arzt für Gespräche über Gehirntumoren zur Verfügung stellen. Im wesentlichen erzählte der Arzt dann den besorgten Arbeitern, dass es keine Verbindung zwischen Vinylchlorid und Gehirntumor-Erkrankungen gibt. Tja, was verursacht dann die Tumoren? Wahrscheinlich der Gartengrill. Zu viel Wasser. Schließlich macht die Dosis die Vergiftung aus.

Einer der geschädigten Arbeiter war damit beauftragt, bei FORMOSA täglich die Daten überdie Vinyl-Lecks in der PVC-Produktionseinheit zu sammeln. Er sagte, dass die Luftverseuchung von 1,2 über 7 über 13 über 35 über 177 über 987 bis zu 6.000 pro eine Million Teile (ppm) reichte. Und das jede Stunde an jedem Tag in jedem Jahr. Und er war dort 25 Jahre. In einem anderen Fall wurde versehentlich Ethylendichlorid in die PVC-Anlage geleitet, die Arbeiter wateten drei Tage lang in der Giftbrühe und hatten nichts außer Gummistiefeln und Handschuhen, um sich zu schützen. Wieder ein anderes Mal wurde die Prozess-Leitung versehentlich an das Trinkwasser angeschlossen und die Arbeiter tranken mit Vinylchlorid verseuchtes Wasser. Ein Arbeiter wurde von seinem Vorgesetzten damit beauftragt, den Bericht über einen Unfall, bei dem vier Tonnen Vinylchlorid freigesetzt wurden zu fälschen, damit FORMOSA in ihrem Bericht an die EPA 2,79 Pfund melden konnte.

Randy Smith, Vizepräsident und Geschäftsführer von FORMOSA PLASTICS in Point Comfort/Texas, sagte unlängst anlässlich der 13-Millionen-Dollar-Strafe: „Es gibt keine ernsthaften Umwelt- oder Gesundheitsprobleme“. Das ist aberwitzig, aber es verlangt eine Antwort. Deshalb fordern wir, dass die OSHA, in Übereinstimmung mit ihrer Aufgabe, die Arbeiter zu schützen, unmittelbar mit einem Monitoring aller gegenwärtigen Arbeiter in allen Bereichen der PVCProduktion bei FORMOSA PLASTICS beginnt. Wir schlagen die Messung persönlicher Belastungen im Einzelfall, die Überwachung der Luftbelastung, Biomarker oder biologische Studien vor.

Die OSHA sollte auch die früheren Beschäftigten einbeziehen, da sie durch ihre ehemalige Arbeit bei FORMOSA ebenfalls beeinträchtigt sind. Wir fordern ein Treffen in angemessener Zeit, in dem wir diese Probleme erörtern können. Unsere Gruppe arbeitet mit Wissenschaftlern des Gesundheitszentrums der Tulane Universität, der Abteilung für Öffentliche Gesundheit und Tropische Medizin der Texas A&M für Veterinärmedizin und mit dem Medizinischen Bereich der Universität von Texas in Galveston zusammen.

Sie sind alle ebenso alarmiert über die Gesundheitsprobleme bei uns wie wir. Die Krankenhäuser in Taiwan nennen das Krankheitsbild der FORMOSA-Arbeiter „FORMOSA Syndrom“. Wir haben hier in Texas die gleichen Probleme.

Wir hoffen auf ein baldiges Treffen. Wir haben es satt, weiter zu warten. Wir erwarten IhreAntwort.

Mit freundlichen Grüßen
The Injured Workers committee

Anschrift der Gruppe „Injured Workers United“ und die Anschriften der weiteren Adressaten dieses Offenen Briefes sieh im englischen Original.