Grußwort Diane Wilson (deutsch, gekürzt)

Mein Name ist Diane Wilson. Ich bin eine Fischerin der vierten Generation an der texanischen Golfküste und halte mich auf Booten auf seitdem ich acht Jahre alt war. 1989 wurde mein kleiner Verwaltungsbezirk in Texas Spitzenreiter der Nation, was die Belastung des Landes mit Giften angeht, verantwortlich für die Hälfte des Mülls, den Texas hervorbringt.

Seitdem bin ich eine selbsternannte „Aufpasserin“ und habe die Chemie-, Öl- und Gaskonzerne dabei beobachtet, wie sie dem Golf tausend Tode zu Füßen legten. Ich hasse es, das sagen zu müssen, aber was ich von den Aktivitäten von BP im Golf gesehen habe ist nichts Neues. Die Veröffentlichungen, die Lügen, die Vertuschungen, die Nachlässigkeit bei der Sicherheit, die Todesfälle, die nicht vorhandenen Dokumente, der „Drehtür-Effekt“ mit den Regulierern.

Was neu ist, ist die massive Natur dieser Ölkatastrophe von BP und die Tatsache, dass sie nicht vertuscht werden kann. Sie ist überall, von 5.000 Fuß Tiefe über etliche Meilen ausgebreitet und dann von Meeresströmungen verteilt. Dieser Elefant kann nicht unter den Teppich gekehrt werden, aber ich bin sicher, wenn BP das könnte, würde BP das tun.

Als die ersten Nachrichten über das BP-Leck erschienen, hat man uns, der Öffentlichkeit, erzählt, dass 1.000 Barrel am Tag austreten würden. Es hat fast drei Monate gedauert, bis die Wahrheit herauskam, dass es sich eher um 50.000 bis 65.000 Barrel am Tag handelte. Das war nicht meine erste Erfahrung mit solchen Lügen.

Als ich eines Tages in der Bucht war, kam ein Seismologen-Team herangefegt. Sie haben nach Öl- und Gasvorkommen gesucht. Es gibt ungefähr 4.000 Öl- und Gasbohrinseln im Golf, aber es gibt auch eine beachtliche Anzahl in den Buchten, und um diese Öl- und Gasvorkommen zu finden benutzt ein Seismologen-Team manchmal Dynamit. Die Dynamit-Explosionen erzeugen Schallwellen, mit denen die Vorkommen lokalisiert werden können. Normalerweise sind Sprengstoffladungen in der Nähe von Riffen nicht erlaubt und sie dürfen auch nicht so stark sein, dass sie Fische in die Luft sprengen. Das ist jedenfalls das Gesetz, aber wer achtet schon auf Gesetze. Ich habe geangelt, holte meine Angelschnur ein und dort an meinem Haken hing eine sehr lange Leine mit Sprengstoffladungen. Die Sache wurde richtig unschön als die Dynamit-Explosionen anfingen, das Boot zu erschüttern und Fische aus dem Wasser heraus zu sprengen.

Um das offensichtliche Auftauchen von toten Fischen zu verhindern setzte die Firma drei Propellerboote ein. Ein Propellerboot kann genauso viele Dezibel erzeugen wie ein Düsenflieger, also stellen Sie sich drei Düsenflieger vor, die durch die Bucht auf und ab fahren, um die Fische aus der Bucht zu vertreiben. Nun, sie erreichten ihr Ziel. Alle Fische flüchteten aus der Bucht und das war es dann mit unserem Fisch für die ganze Saison. Es war nur eine Kleinigkeit auf dem Firmenarbeitsblatt eines Ölkonzerns, aber für unsere Küstenfischer mit ihren Familienbetrieben war es verheerend.

Das ist aber nicht alles: Die Ölindustrie versenkt jedes Jahr über eine Milliarde Pfund (ein amerikanisches Pfund ist etwa 0,453 kg) an quecksilber-verseuchtem Bohrschlamm-Abfällen im Golf. Bohrschlamm wird zum Kühlen und Schmieren von Bohrerspitzen benutzt, während diese sich in die Quelle hineinbohren, um sie nach Öl und Erdgas zu untersuchen. Das Quecksilber kommt in einem Stoff namens Baryt vor, dem Hauptbestandteil dieses Schlamms. 1996 begrenzte die Umweltschutzbehörde EPA die Quecksilbermenge im Bohrschlamm auf ein Teilchen pro Million, was den Förderplattformen immer noch die Verklappung von 1.000 Pfund Quecksilber pro Jahr gestatten würde. 50 Jahre lang, bis zu diesem EPA-Erlass, gab es keine Begrenzung für den Quecksilbergehalt von Baryt. Ein von der Gesellschaft der Öl-Ingenieure veröffentlichter Bericht legt nahe, dass in der Vergangenheit Baryt mit einem Quecksilbergehalt von 30 Teilchen pro Million verwendet worden sein könnte. Ausgehend von den Informationen der Ölindustrie und der Umweltschutzbehörde sind seit den 1960er Jahren Hunderttausende Pfund Quecksilber mittels des Bohrschlamms im Golf verklappt worden.

Daher sollte es nicht überraschend sein, dass die Quecksilber-Verseuchung bei manchen Öl- und Gas-Bohrplattformen im Golf von Mexiko so gravierend erscheinen, dass die Plattformen sich für eine Platzierung auf der Liste nationaler Verseuchungsprioritäten qualifizieren und zu einer bundesstaatlichen „Superfund“-Aufräumaktion für mit Gefahrstoffen verunreinigte Gebiete führen könnten. Außerdem liegt die Quecksilberkonzentration bei vielen getesteten Fischen und Schalentieren um mindestens eine dieser Plattformen herum hoch genug, um das Gebiet als verseuchte Fischgründe zu qualifizieren. Die regelmäßige Nutzung dieser Plattformen von kommerziellen und Freizeitfischern bedeutet, dass die Verschmutzung um die Plattformen eine Bedrohung der menschlichen Nahrungskette darstellt.

Bundesbeamte haben erklärt, dass es kaum wahrscheinlich sei, dass irgendeine Behörde versuchen würde, eine der über 4.000 Förderplattformen im Golf auf die „Superfund“-Prioritätenliste zu setzen, unabhängig vom Grad der erfolgten Verseuchung und unabhängig vom Gesundheitsrisiko, da diese Verschmutzung das Ergebnis einer andauernden bundesstaatlich erlaubten Freisetzung von Schadstoffen sei. Dasselbe gilt, wenn genau diese Ölfirmen aus irgendeinem Grund beschließen, ihren verseuchten Bohrschlamm als Frachtgut zu verschiffen und ihn dann in Tanklastzüge zu pumpen, welche ihrerseits diese Schlammabfälle in den Sumpfgebieten entlang kleiner Fischerdörfer an der Golfküste zu entsorgen. Ich habe diese Tanklastzüge dabei beobachtet, wie sie 200 Ladungen in einem Sumpfgebiet außerhalb von Seadrift entsorgten und eine weitere Ladung eine halbe Meile von meinem Wohnwagen entfernt. Meine häufigen Anrufe bei der Texas Natural Resource Conservation Commission (TNRCC, die texanische Kommission zum Erhalt natürlicher Ressourcen) wurden beantwortet mit: „Das ist harmlos.“ Ich denke, das sollte ich meinem Sohn sagen, der autistisch ist.

Der Endeffekt ist, dass der Golf jeden Tag ein kleines bisschen mehr stirbt durch Zehntausende Chemiefabriken, Ölraffinerien und Öl- und Gas-Bohrplattformen, welche die Golfküste verunstalten. Es ist ein Tod aus zehntausend Wunden und all diese kleinen und großen Vergehen sind selbst berichtet – oder vielleicht überhaupt nicht. Wir, die Öffentlichkeit, haben keine Möglichkeit, das zu erfahren. Die Firma oder die Behörde wird es uns gewiss nicht sagen. Das haben sie immer wieder bewiesen. Die Wahrheit wird in dieser Angelegenheit erst dann deutlich, wenn etwas so Ungeheuerliches passiert wie das BP-Öl-Leck und uns mit diesem Albtraum wach werden lässt.

Ich hatte die Nase so voll von BP und den Lügen, die aus der Golfregion drangen und darüber, dass nichts getan wurde, dass ich beschloss, nach Washington zu gehen. Ich bin nur eine heruntergekommene Garnelenfischerin mit wenig Geld, also hat mir eine Freundin das Geld für das Flugticket nach Washington geliehen. In Washington ging ich in das Kongress-Gebäude und wanderte durch diese Räume für Senatsanhörungen und versuchte, die Bedeutung zu verstehen und etwas Wahrheit herauszufinden darüber, was mit unserer Fischerei, unserer Gemeinschaft und dem Golf passierte, der allem, was wir taten, Leben gab.

Innerhalb kürzester Zeit sah ich, dass nichts getan wurde. Es gab eine Menge Gerede, viele Zeugenaussagen, aber nichts passierte. Tatsächlich arbeiteten Gruppen von Öl-Lobbyisten ausgesprochen entschlossen – und zwar genug, dass die Senatorin Lisa Murkowski aus Alaska (welches die Ölkatastrophe der Exxon Valdez 1989 erlebte ) die Abstimmung über die Abschaffung der Haftungsbegrenzung der durch BP entstandenen Schäden im Golf blockierte. BP war dabei, 90 Millionen Dollar am Tag zu verdienen und die Haftungsbegrenzung lag bei 75 Millionen. Nicht für einen Tag, nicht für ein Jahr. Für die gesamte Katastrophe. Ich habe einen Tag gebraucht um zu entscheiden, dass ich nicht einfach davongehen und das so stehen lassen würde. Nicht ohne irgendeine Art von Protest. Also ver-steckte ich am nächsten Tag ein Gefäß mit etwa zwei Litern Sirup und ging in die Senatsanhörung. Nur wenige Mitglieder der Öffentlichkeit werden in solche Anhörungen gelassen, daher musste ich drei Stunden lang Schlange stehen, um in diese Anhörung zu kommen. Dann wartete ich, bis die Senatorin Lisa Murkowski zu reden begann und als sie das tat, stand ich auf und rief, dass wir es leid seien, im Golf zugemüllt zu werden und dann holte ich meine Flasche mit „Öl“ aus meiner Handtasche und vergoss es über mich. Dafür wurde ich verhaftet und wegen gesetzwidrigen Betragens angeklagt.

Als ich aus dem Gefängnis kam, kehrte ich in den Kongress zurück. Ich hörte, dass Tony Hayward, der Geschäftsführer von BP, bei einer Senatsanhörung aussagen sollte. Dieses Mal stand ich zwölf Stunden Schlange. Ich stand an diesem Abend vor dem Senatsgebäude von 22.00 Uhr bis 7.00 Uhr am nächsten Morgen. Ich war die zweite Person, die in diese An-hörung hineinkam und dieses Mal schmuggelte ich eine Tube schwarzer Farbe in meiner Gesäßtasche. Als Tony Hayward in die Senatsanhörung geführt wurde, umringte ihn eine große Anzahl von Leuten. Aber ich konnte ihn sehen. Und als Tony anfing zu sprechen, schmierte ich mir Farbe auf meine Hände und in mein Gesicht, stand auf und rief, dass Tony verhaftet werden müsste. Dieser Mann muss verhaftet werden. Es hat etwas gedauert, aber ich wurde von zwei uniformierten Polizisten und einem Undercover-Polizisten zu Boden gerungen. Ich wurde festgenommen, mit Handschellen gefesselt und ins Gefängnis geschickt, wo ich die ganze Nacht bis zum nächsten Morgen verbrachte. Diese Verhaftung brachte mir zwei Anklagen ein: eine wegen gesetzwidrigen Betragens und eine zweite wegen angebli-chen Widerstandes gegen die Verhaftung. Alle drei Anklagepunkte zusammen wurden mit einem Strafmaß von mehr als 800 Tagen Gefängnis versehen.

Es kam zur Verhandlung und ich wurde zu zweieinhalb Jahren Gefängnis auf Bewährung verurteilt. Hinzu kam, dass ich für die Zeit der Bewährung aus Washington verbannt wurde, ich darf diese Stadt in dieser Zeit nicht mehr betreten, andernfalls verfällt meine Bewährung und ich muss unmittelbar ins Gefängnis.

Ich finde es wirklich ironisch, dass ich eine friedliche Garnelenfischerin bin, ohne Arbeit dank der korrupten Praktiken von Firmen wie FORMOSA PLASTICS, DOW CHEMICAL und BP und nun auch noch zu einer hohen Bewährungsstrafe verurteilt; zugleich bleiben die Verantwortlichen dieser Unternehmen, die Millionen und Abermillionen Dollar verdienen und sich schlimmster Verbrechen aller Art schuldig machen bis hin zur aktuellen BP-Katastrophe, unter der noch unsere Kinder und Enkel zu leiden haben werden, auf freiem Fuß, werden niemals festgenommen und zu keinerlei Strafen verurteilt. Wo ist die Gerechtigkeit?

Etwas Gerechtigkeit hält glücklicherweise mit der Verleihung des Black Planet Award Einzug und dafür bin ich sehr, sehr dankbar.

Lassen Sie mich noch hinzufügen: Ich melde mich freiwillig dafür, Tony Hayward und anderen Verantwortlichen von BP den Black Planet Award 2010 zu übergeben. Ich denke, das ist nur angemessen.