Dr. Josef Lang: Schmährede

Glencore – Herz der Finsternis

„Dem Innern des Landes seine Schätze zu entreissen, das ist ihr einziges Verlangen, mit keinem anderen moralischen Anspruch dahinter als dem von Räubern beim Aufbrechen eines Geldschranks.“ Dieser Satz, meine Damen und Herren, stammt nicht von mir. Er stammt aus einem vor 110 Jahren erschienenen Roman des polnisch-englischen Schriftstellers Joseph Conrad. Dessen Titel lautet: „Herz der Finsternis“. Seine beiden wichtigsten Handlungsorte sind die Metropole Brüssel, dem Haupt- und Steuersitz der „Société Anonyme pour le Commerce du Haut-Congo“ sowie die Kolonie auf dem Kongo-Fluss und im Dschungel. Über sie steht in Conrads Roman der Satz: „Alles – alles kann man in diesem Land machen.“

Der Kongo gehört zu den Kerngeschäften der Glencore. Glencore ist die Abkürzung von „Global Energy Commodities and Resources“. Die zweite Hälfte des Namens bedeutet Kern und Herz. Das altenglische Core entstammt dem altfranzösischen Coeur. Glencore lässt sich also auch übersetzen als „Herz“ des globalen Rohstoffhandels. Conrad hat das koloniale Monster, das er zu schmähen hatte, so beschrieben: „… mit gefrässig aufgerissenem Mund, als wolle es die ganze Welt mitsamt der ganzen Menschheit verschlingen.“

Als die Forscherinnen und Forscher der beiden Schweizer Hilfswerke Brot für alle und Fastenopfer vor einem Jahr an die kongolesische Tagbaustätte Tilwezembe stiessen, muss es ihnen ähnlich ergangen sein, wie Marlow, der Erzählfigur im „Herz der Finsternis“: Es „war mir, als hätte ich den düsteren Kreis eines Infernos betreten.“ Bekanntlich hat Dante in seiner Divina Comedia die Hölle wie eine Tagbaumine als Schlund beschrieben, der in neun „Kreisen“ zum Sitz Luzifers abfällt.

Die kongolesische Hölle, welche Brot für alle und Fastenopfer ans Tageslicht brachten, ist weniger übersichtlich geordnet als die danteske oder die conradsche. Ich zitiere aus der Studie vom April dieses Jahres: „Nach den uns vorliegenden Informationen sind 700 Kinder oder Jugendliche unter 17 Jahren im Abbau beschäftigt; das entspricht einem Drittel der informellen Bergleute. Die Arbeits- und Lebensbedingungen sind äusserst prekär. Es werden Löcher mit einer Tiefe von 25 bis 80 Metern gegraben und mit keinerlei Sicherheitsstrukturen versehen. Die wenigsten Arbeiter verfügen über Sicherungsgurte, Schutzkleidung oder Helme. Die Verschüttungsgefahr ist gross, denn der Abraum wird nicht fachgerecht gesichert und die Stollen können jederzeit einstürzen.“ Die Bergleute sind nicht versichert, die hygienischen Bedingungen höchst prekär, die Löhne betragen bloss 200 Dollar pro Monat.

Die Glencore, der Tilwezembe gehört, spricht von einer „ruhenden Mine“ und wäscht sich damit die Hände in Unschuld. Aber sie bringt einen wichtigen Teil deren Kupfererzes über die Glencore-Tochter Mopani in Sambia auf den Weltmarkt. In der Studie mit dem Titel „Glencore en République Democratique du Congo: le profit au détriment des droits humains et de l’environnement“, den Chantal Peyer und François Mercier gemeinsam mit einheimischen Nichtregierungsorganisationen erstellt haben, werden noch weitere höllische Kreise gezogen:

2. Die Verschmutzung des Luilu-Flusses mit Schwefelsäure durch die hydrometallurgische Aufbereitungsanlage der Glencore-Firma Kamoto Copper Company (KCC) bedroht Wasserflora und –fauna und macht das Wasser ungeniessbar für die Bevölkerung.

3. Die Abbau-Tätigkeiten im geschützten Wildtierreservat durch die zweite untersuchte Glencore-Gesellschaft, die Mutanda Mining, vertreiben die Wildtiere, viele von ihnen ohnehin gefährdete, ins benachbarte Sambia.

4. Sowohl in der Mutanda Mining als auch in der Kamoto Copper Company (KCC) werden die geltenden Arbeitsrechte missachtet. Überstunden werden nicht korrekt entschädigt, Versammlungs- und Gewerkschaftsfreiheiten sind eingeschränkt, einheimische Arbeiter benachteiligt. Es kam deshalb in beiden Glencore-Gesellschaften 2011 und 2012 zu Streiks.

5. Am 21. Juni 2010 wurden bei Zusammenstössen zwischen informellen Bergarbeitern, die sich gegen ihre Zwangsvertreibung wehrten, und privaten sowie von der KCC aufgebotenen öffentlichen Sicherheitskräften drei Personen getötet und zahlreiche verletzt.

6. Die Bergbauverordnung, welche von den Lizenznehmern verlangt, „mit den Gemeinden einen konstruktiven Dialog zu führen“, wird von der KCC laufend verletzt. Oft beantwortet sie nicht einmal Briefe der Gemeindekomitees.

7. In der Stadt Musonoi, die zum Konzessionsgebiet der KCC gehört, gibt es permanenten Wassermangel, hohe Staubbelastung und Schäden an den Gebäuden. Das gleiche gilt für die Stadt Luilu.

8. Die KCC befindet sich zu 75 Prozent in Besitz von fünf Gesellschaften, die in Steuerparadiesen angesiedelt sind. Deren Muttergesellschaft Katanga Mining Limited (KML), die zu 75% Glencore gehört, ist auf Bermuda registriert. Eine weitere Dienstleistungsgesellschaft, die Katanga Mining Services AG, befindet sich im Kanton Zug. Man schätzt, dass der Kongo jährlich wegen solcher Multi-Methoden einen Viertel seiner Staatseinnahmen verliert. Dazu kommt, dass die KCC Gewinne in Verluste verwandelt. Die Studie schätzt, dass dadurch dem Kongo 2010 144 Millionen US-Dollars und 2011 52 Millionen Dollars entgangen sind.

9. Die Glencore ist insbesondere über ihre engen Geschäftsbeziehungen mit dem Grossspekulanten Dan Gertler, einem Intimus des vor einem Jahr wieder gewählten Präsidenten Joseph Kabila, in die grassierende Korruption im Kongo verwickelt. Kabila liess Minenanteile zu einem Bruchteil ihres Wertes verkaufen, um damit seinen Wahlkampf zu finanzieren. Über Gertler landeten einige der Reichtümer bei Glencore. Die Neue Zürcher Zeitung bezeichnete am 12. Februar 2009 Gertler und Glencore als „strategische Partner“.

Dan Gertler, der Mittelsmann zwischen einheimischer Elite und Globalkapital, spielt für die Glencore eine ähnliche Rolle wie die Hauptfigur von Conrads Kongo-Roman, Mr. Kurtz, für die belgische Handelsgesellschaft gespielt hat. Während Hannah Arendt „Herrn Kurtz“, wie sie ihn nennt, in ihrem Totalitarismusbuch als Protofaschisten darstellt, bewegt sich Gertler im Umfeld der rechtsextremen Beiteinu-Partei von Avigdor Lieberman. Es gibt einen engen Zusammenhang zwischen Ausbeutung der Dritten Welt, der Ungleichheit zwischen Süd und Nord und der Herrenvolk-Mentalität in demselben. (Ich werde im Zusammenhang mit der Glencore-Metropole noch einmal darauf zu sprechen kommen.)

Die Glencore ist, wie die beiden Anfangsbuchstaben ihres Namens sagen, ein globales Unternehmen mit 2800 Beschäftigten im Handel und 55‘000 Beschäftigten in der Produktion. Letztes Jahr erwirtschaftete der in über 40 Ländern präsente Multi einen Reingewinn von 4,1 Milliarden US-Dollars und einen Umsatz von 186,2 Milliarden US-Dollars. Damit liegt er, was den Umsatz betrifft, weltweit an 14. und europäisch an 5. Stelle. Allein mit dem Börsengang vor anderthalb Jahren haben die Top Six der Glencore 23 Milliarden Dollar verdient. Es gibt 96 Länder auf dieser Welt, deren Volk in einem ganzen Jahr weniger verdient. (Wenn die Gewinne der Glencore dieses Jahr geringer ausfallen, liegt das ganz und gar nicht an den beiden kongolesischen Kupferminen Katanga und Mutanda. Bei diesen handelt es sich um wahre Goldgruben.)

Wie riesig der Gigant ist, zeigt folgender Vergleich: Ein Prozent des Glencore-Gewinns resultiert aus der Agrarproduktion. Dieses eine Prozent ist die Frucht von 280.000 Hektaren eigener Ackerfläche. Dies entspricht ziemlich genau der gesamten Ackerfläche der Schweiz. Weitere elf Prozent des Gewinns stammen aus dem Handel und der Spekulation mit Nahrungsmitteln. Wie diese läuft und was ihre verheerenden Folgen sind, illustriert das folgende Beispiel, das in diesem Buch „Rohstoff. Das gefährlichste Geschäft der Schweiz“ dargelegt wird:

„Als Russland aufgrund einer verheerenden Trockenheit massive Ausfälle bei seiner Weizenernte befürchtete, erliess die Regierung im Sommer 2010 ein Exportverbot. Daraufhin schnellten die globalen Weizenpreise innerhalb von zwei Tagen um 15 Prozent in die Höhe – eine Katastrophe für hunderte Millionen Menschen, deren Einkommen schon zuvor nicht reichte, um sich und ihre Familien zu ernähren. Laut der angelsächsischen Wirtschaftspresse hatten die Chefs der russischen Glencore-Tochter International Grain die zuständigen Kreml-Herren zu diesem Exportverbot gedrängt. Entsprechende Hinweise eines ihrer Mitarbeiter dementierte die Konzernzentrale in Baar zwar umgehend. Was damals schon wenig überzeugend klang, wurde durch die jüngsten Informationen der Banken, die Glencors Börsengang vorbereiteten, nun völlig unglaubwürdig. Demnach soll der Rohstoffgigant just im Frühsommer 2010 auf steigende Weizenpreise spekuliert haben. (…) Die Profite der Agrarsparte haben sich letztes Jahr (also 2010 jl) mehr als verdoppelt. Die Zeche bezahlt hat die hungernde Bevölkerung im globalen Süden. Ägypten als weltgrösster Importeur von Weizen etwa hat Anfang Juli 2010 noch 184 Dollar pro Tonne bezahlt. Einen Monat später, nach dem russischen Exportverbot, waren es über 100 Dollar mehr.“

Übrigens wurde im vergangenen Juli die holländische Tochterfirma Glencore Grain Rotterdam wegen Bestechung eines Funktionärs der EU-Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung zu einer Busse verurteilt. Der Glencore-Informant war für die Festlegung der wöchentlichen offiziellen An- und Verkaufspreise für Getreide zuständig gewesen. In den Medien hat der Gerichtsentscheid nur wenig Echo gefunden.

Gemäss einer Studie der Deutschen Bank vom Juni 2011 liegt die Hauptspezialität von Glencore darin, gegebenenfalls blitzartig zuzuschlagen – auch in Regionen „in denen andere Bergbaugesellschaften nicht operieren möchten.“ Es sei „dieser opportunistische Ansatz“, der „den Grossteil von Glencores Werk kreiert hat“. Die Deutsche Bank, die eine solch subtile Sprache notabene unter meinem miteidgenössischen Namensvetter pflegte, schätzt, dass wertmässig rund 70 Prozent der Glencore-Produktionsstätten in äusserst korrupten und/oder hoch konfliktiven Ländern wie Kongo, Kolumbien (Kohle), Kasachstan (Zink) oder Äquatorialginea (neue Erdölfelder) liegen. Die im Bergbau stark engagierte Royal Bank of Canada sagte mal über den Zuger Konzern: „In Zonen wie im Kongo, die andere ungemütlich finden, da richtet sich die Glencore gemütlich ein.“

Allerdings können solche Standorte auch für Glencore ungemütliche Folgen haben. So haben US-Pensionskassen ihre Glencore-Obligationen abgestossen, als bekannt wurde, dass sich der Multi auch im „Schurkenstaat“ Sudan gemütlich machte. Ein Grund, dass „Schurkenstaaten“ auf die Glencore keine abschreckende Wirkung haben, mag darin liegen, dass sie vor zehn Jahren ausgerechnet vom erzbürgerlichen französischen Staatspräsidenten Jacques Chirac als „Schurkenpatron“ geschmäht wurde. Es ging damals um die Schliessung der Fabrik „Metaleurop“ im Pas de Calais und die Entlassung von 830 Beschäftigten mit Methoden, die selbst in Frankreich unüblich waren. Vorher hatte die Glencore vom französischen Staat und von der EU Sanierungsgelder für Luftreinhaltemassnahmen garniert.

Wenden wir uns also den heutigen patrons der Glencore zu, die auch ich zu schmähen habe. Allerdings will ich mich etwas zurückhaltender ausdrücken, als dies der französische Staatspräsident getan hat. Dies hat auch damit zu tun, dass ich – im Unterschied Monsieur Chirac – das Grundproblem im Wirtschaftssystem und nicht in den Personen sehe.

Der 1958 in Johannesburg geborene und aufgewachsene Ivan Glasenberg wurde noch zu Apartheidzeiten von seinem Entdecker und Förderer Marc Rich für den Kohlenhandel eingestellt. Seine Aufgabe war es, für südafrikanische Kohle auswärtige Käufer zu finden, was angesichts des UNO-Embargos keine leichte Aufgabe war. Glasenberg erfüllte sie für Marc Rich und das Rassisten-Regime zur vollsten Zufriedenheit.

Auf Wikipedia ist über Glasenberg folgende nominell falsche, aber inhaltlich korrekte Aussage zu finden: „Seit 1984 ist er für das Unternehmen Glencore tätig, dessen Chief Executive Officer (CEO) er seit 2002 ist.“ Glencore heisst der Konzern erst seit 1994, aber er steht in Kontinuität zur alten Marc Rich. Es gibt wenige Namenswechsel, neudeutsch: Rebranding, in der Wirtschaftsgeschichte, die derart medienwirksam und erfolgreich waren. Die Marc Rich gehörte neben den Schweizer Grossbanken zu den wichtigsten Boykottbrechern zugunsten des Apartheid-Regimes. Sie haben dem Unrechtsstaat damit das Leben verlängert. Glasenbergs heutige Handlungen und Aussagen lassen sich besser verstehen, wenn man weiss, unter welchen Umständen er als Trader „sozialisiert“ worden ist.

Kommen wir zu Simon Murray, dem schillernden Präsidenten des Verwaltungsrates! Der 72jährige Brite hatte als Fremdenlegionär in den frühen 60er Jahren für das französische Kolonialregime gegen die algerische Befreiungsbewegung gekämpft. Ideologisch hat sich Murray seither nicht stark geändert. In seinem ersten Interview als Glencore-Präsident wetterte er im „Sunday Telegraph“ gegen Afrikaner, welche sich „auf betrügerische Art und Weise“ Asyl erschleichen und „die wir dann nicht mehr loswerden“. Das sagt ein ehemaliger Kolonialkrieger, der auf afrikanischem Boden gegen Afrikaner gekämpft hat und der sich heute bereichert an afrikanischen Rohstoffen, die von schlecht bezahlten Afrikanern aus dem afrikanischen Boden geholt werden. Über die Frauen sagte Murray, ihnen mangle es an Ehrgeiz, um im Unternehmen die gleiche Leistung zu erbringen wie Männer. Tatsächlich hat es an der Glencore-Spitze keine einzige Frau.

Zu Tony Hayward kann ich mich kurz fassen, weil er bereits vor zwei Jahren den Black Planet Award gewonnen hat und weil gestern seine unrühmliche Rolle während und nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko in Erinnerung gerufen worden ist. Spiegel Online hat damals über den BP-Chef geschrieben: „Von der Lichtgestalt zum Gesicht der Schwarzen Pest“. Exakt ein Jahr nach der Katastrophe gab die Glencore bekannt, dass sie Hayward in ihren Verwaltungsrat berufen hat. In diesem gehört er dem dreiköpfigen Komitee für „Umwelt, Gesundheit und Sicherheit“ an. Wer den Bock zum Gärtner macht, dem liegt nicht viel am Garten.

Im Mai 2010, einen Monat nach der BP-Katastrophe, bekam Ivan Glasenberg einen Brief des Branchenkollegen Anthony Lipmann. In diesem berichtet der ehemalige Kobalt-Grosshändler von einem Besuch in der sambischen Mopani-Mine, die zu drei Vierteln Glencore gehört. Nachdem Lipman vorgerechnet hat, dass in der grössten Kupferhütte Afrikas die Schwefelemissionen 30 bis 70mal über dem gültigen Grenzwert lägen, schildert er die Folgen: „Ausgebleichte Erde, kümmerliche Ernten, Korrosion durch sauren Regen auf den Dächern, Farbanstrichen und Lungen.“ Wie eine vom Schweizer Fernsehen vor einem Monat ausgestrahlte Reportage zeigt, leiden vor allem die Kleinkinder unheimlich unter den Abgasen.

Obwohl Mopani –auch dank den hohen Kupferpreisen – höchst rentabel ist, macht es keine Reingewinne. Die sambische Tochterfirma verkauft den Rohstoff zu untersetzten Preisen an die Mutterfirma im Kanton Zug, die jene zu Marktpreisen weiter verkauft. Die sambische Glencore hat der zugerischen Glencore allein von 2003 bis 2007 700 Millionen Dollars geschenkt. Man schätzt, dass Sambia jährlich wegen solcher Methoden 22 Prozent Steuerverluste erleidet.

Wie vielen Afrikanerinnen und Afrikanern, insbesondere Kindern, hat diese Entwicklungshilfe Sambias für Zug und die Schweiz das Leben gekostet? Einer der Schlüsselsätze in Conrads „Herz der Finsternis“ lautet: „Das (…) war das Schlimmste dabei – dieser Verdacht, dass es auch Menschen waren.“ Das ist das Schlimmste dabei – dieser Verdacht, dass es auch um Menschenleben geht!

Eine andere Umweltkatastrophe, die Glencore mitverursacht hat, ist berühmter geworden als die in Mopani: die im kolumbianischen Cerrejon, dem grössten Kohlenabbaugebiet Lateinamerikas. Es gibt darüber einen Dokumentarfilm mit dem Titel: „Paradis fiscal, enfer social“. Er kontrastiert das Zuger Steuerparadies mit der sozialen Hölle in Nordkolumbien. Die Glencore hat ihren Cerrejon-Anteil später an die Xstrata abgetreten, wird aber bei einer allfälligen Fusion wieder direkter Teil des ökologischen und sozialen Desasters. Die Film-Bilder über die Verheerungen an Natur und Mensch eignen sich hervorragend für die Illustrierung von Dantes „Inferno“ oder von Conrads „Herz der Finsternis“.

Conrads Metropolen waren London und Brüssel, die Glencores sind London und Zug. Als seine britische Erzählfigur namens Marlow in der belgischen Kapitale, dem Hauptsitz des Kongo-Konzerns, ankommt, erinnert ihn die Stadt an eine Polemik Jesu‘ gegen die Pharisäer und ihren falschen Schein. Brüssel steht nicht zu dem, was es macht und ausmacht: die Ausbeutung des Kongos. Auch das offizielle Zug, eines der wichtigsten Rohstoff-Zentren auf diesem Planeten, verdrängt die finstere Kehrseite seines Reichtums.

Marlow kämpft die ganze Zeit dagegen, von der belgischen Handelsgesellschaft vereinnahmt, in ihr Lügengeflecht hineingezogen, ein Teil des falschen Scheins zu werden. Diesen Kampf führen alle Zugerinnen und Zuger, alle Schweizerinnen und Schweizer, welche sich der Wirklichkeit eines gigantischen Abzockertums auf Kosten der Ärmsten der Welt stellen. Wer den dramatischen Wohlstandsgraben zwischen Erster und Dritter Welt mit nördlichem Fleiss und südlicher Faulheit erklärt, der verfällt dem gleichen Dünkel wie Joseph Conrads Mr. Kurtz. Es ist kein Zufall, sind die bürgerlichen Parteien des Kantons Zug die rechtesten und asylfeindlichsten Sektionen in ihren nationalen Mutterparteien.

Als Marlow aufbricht ins „Herz der Finsternis“ meint er, die Finsternis sei das Andere, das Fremde. Als er aus Afrika zurückkehrt, weiss er, die Finsternis ist das Ganze, sie gehört zum System. Und ihr Herz ist hier, in der eigenen Welt. Glencore gehört zum Herz der heutigen Finsternis, die Jean Ziegler in seinen Büchern so eindrücklich beschrieben hat. Deshalb verdienen der Zuger Konzern und seine Herren Glasenberg, Murray und Hayward sowie die Grossaktionäre mit dem Black Planet Award, dem Preis des finsteren Planeten, geschmäht zu werden.