Fukushima und kein Ende
Jahrestag einer von Menschen gemachten Katastrophe
Am 11. März jähren sich zum ersten Mal die Ereignisse rund um das Nukleardesaster im Kernkraftwerk Fukushima Daiichi (Japan). Ausgelöst wurden sie durch ein Beben des Meeresbodens der Stärke 9,0 und einen darauffolgenden Tsunami an der ostjapanischen Küste. Dass es danach zum Super-GAU kommen konnte, lag jedoch an den Entscheidungsträgern der Betreiberfirma TEPCO. Dafür wurden sie Ende 2011 von der konzern- und globalisierungskritischen Stiftung ethecon mit dem Internationalen ethecon Black Planet Award geschmäht.
Vor und nach den Explosionen mit der anschließenden Kernschmelze trafen die Konzern-Verantwortlichen Entscheidungen, bei denen die Reaktorsicherheit – und somit die Sicherheit und der Schutz der Angestellten, der Anwohner und der Umwelt – eine untergeordnete Rolle spielte. Wichtig war ihnen allein die Profitmaximierung. Über vieles kann man nur fassungslos den Kopf schütteln. Neben allen bekannten Argumenten gegen die Atomkraft mit ihren langfristigen Folgen ist schon der Bau von Kernkraftwerken in einem so erdbebengefährdeten Land wie Japan, das an der geologischen Bruchzone von vier tektonischen Platten liegt, ein echtes Spiel mit dem Feuer. Dass ausgerechnet in dem Land, dem die Welt das Wort „Tsunami“ verdankt, ein Atomkraftwerk direkt an der Küste gebaut wird, ist schlichtweg unverantwortlich. Warnungen von Geologen und Ingenieuren hat der Energiekonzern regelmäßig ignoriert. Häufig wurde sogar Druck auf sie ausgeübt, um über Bau- und Wartungsmängel Stillschweigen zu bewahren. Fakt ist, dass die Kernschmelze durch das Ausfallen der Notstromaggregate und somit der Stromversorgung und des Kühlsystems nach dem Wassereinbruch begann. Dies hätte durch eine höhere Tsunami-Schutzmauer und durch die – eigentlich übliche – Absicherung durch mehrere Back-up-Systeme verhindert werden können. Doch das Geld dafür sparte sich der Konzern.
Selbst als die Katastrophe sich schon abzeichnete, entschieden sich die Konzernmanager zunächst gegen eine Kühlung der Brennstäbe mit Meereswasser, da dieses die Reaktoren dauerhaft unbrauchbar macht. (Später wurden „Kommunikationsprobleme“ als Grund für diese Verzögerung angegeben.) So nahm die Kernschmelze ihren Lauf. Zu den ersten Aufräumarbeiten schickte TEPCO zwangsweise eigene Arbeiter, die teilweise keine Ahnung von den vor Ort notwendigen Aufgaben hatten, sowie sogenannte ‚Nuklearsklaven’, derer sich japanische AKW-Betreiber häufiger bedienen. Hierbei handelt es sich um meist obdachlose Tagelöhner, denen in der Regel weder ausreichende Schutzkleidung noch Informationen über die Gefährlichkeit ihrer Arbeit gegeben werden. Auch die Anwohner der betroffenen Region wurden lange Zeit im Unklaren darüber belassen, wie schwerwiegend dieser Atomunfall wirklich war. So wurde mit den Evakuierungen viel zu spät und viel zu zögerlich begonnen.
Hunderttausende in Not und Elend
Aus diesen Gründen hat die Stiftung ethecon den Vorsitzenden Tsunehisa Katsumata, den ehemaligen Präsidenten Masataka Shimizu und weitere Manager und Großaktionäre des TEPCO-Konzerns mit dem Internationalen ethecon Black Planet Award 2011 an den Pranger gestellt. Die Schmährede zur Preisverleihung hat der bekannte Politikwissenschaftler Prof. Dr. Elmar Altvater im Rahmen der ethecon Tagung Ende November in Berlin gehalten. Der Mitbegründer des Instituts Solidarische Moderne, der auch Mitglied des wissenschaftlichen Beirats von Attac ist, fand für die Entscheidungsträger des Konzerns klare Worte: “Die TEPCO-Leute haben Hunderttausenden ihrer Landsleute Not und Elend gebracht, tragen für langwierige Gesundheitsschäden infolge der Verstrahlung Verantwortung, auch dafür, dass große Areale des Landes für lange Zeit unbewohnbar sein werden und dass in die Nahrungskette radioaktive Stoffe in nicht bekannter Menge und mit nicht genau abschätzbarer Wirkung gelangen konnten. Kurz, die vermaledeiten TEPCO-Leute sind verantwortlich für den größten anzunehmenden Unfall in der Nukleargeschichte.“
Gleichzeitig betont Altvater, dass nicht nur das TEPCO-Management Verantwortung für die langfristige Verstrahlung trägt: “An dem nukleokratischen System sind viele andere ‘Charaktermasken’ eines Kapitalismus beteiligt, der sich keine Fesseln anlegen lassen möchte, um möglichst große Profite machen zu können, auch wenn die Erde bebt, das Wasser sich zur Sintflut türmt und atomare Brennstäbe schmelzen.” Als eines der vier größten Nuklear-Unternehmen der Welt unterscheidet sich TEPCO nicht sehr von den anderen Großkonzernen. Das Aktienkapital halten in erster Linie die Stadt Tokyo sowie große japanische Lebensversicherer (!) und Banken. Bereitwillig haben sie die Gewinne eingestrichen, die durch Einsparungen bei in den Bereichen Wartung, Sicherheit und Kontrolle maximiert wurden. Die Kosten für die Katastrophe hingegen soll die japanische Bevölkerung tragen.
Jetzt TEPCO-Kampagne unterstützen
Daher hat die Stiftung ethecon unter dem Motto “TEPCO stoppen!” eine Kampagne gestartet, mit der sie vom Konzern den Ausstieg aus der Atomtechnologie sowie die Haftung der Großaktionäre und der verantwortlichen Manager fordert. Darüber hinaus verlangt sie die Ächtung des TEPCO-Konzerns und die Bestrafung seiner Entscheidungsträger. Es kann nicht sein, dass immer wieder die Gewinne privatisiert werden, die Kosten und vor allem die Risiken aber von der Bevölkerung und den Steuerzahlern getragen werden müssen. Und es kann erst recht nicht angehen, dass der Schaden an Mensch und Umwelt nur groß genug sein muss, um sicherzustellen, dass die Verantwortlichen nicht strafrechtlich verfolgt werden. Der bloße Rücktritt eines mit der jeweiligen Katastrophe in Verbindung gebrachten Geschäftsführers verringert nur den Druck auf den Konzern, ändert aber keineswegs dessen Geschäftspraktiken – sei es nun bei TEPCO und dem Super-GAU in Fukushima, bei BP und der Deepwater-Horizon-Explosion und Ölpest im Golf von Mexiko oder irgendeiner anderen von Menschen verschuldeten Katastrophe. Wer auch immer dafür jeweils verantwortlich ist, muss die Konsequenzen tatsächlich tragen!
Um die TEPCO-Manager und -Großaktionäre mit ihrer Verantwortung zu konfrontieren, plant die Stiftung ethecon die Übergabe ihres Schmähpreises zusammen mit japanischen Organisationen und Aktivisten im Rahmen der Aktionärshauptversammlung des Konzerns Ende Juni.
Unterstützen kann man die Kampagne “TEPCO stoppen!” online im Aktionen-Bereich der Webseite www.ethecon.org. Das Dossier über TEPCO und das Flugblatt “TEPCO stoppen!” können bei mailto:info@ethecon.org bestellt oder im Download-Bereich heruntergeladen werden.