Grußwort Philipp Sonderegger / SOS Mitmensch

Sehr geehrte Damen und Herren!
SOS Mitmensch ist eine Menschenrechtsgruppe in Österreich. Seit Jahren setzen wir uns unter dem Blickwinkel der Menschenrechte mit den schwierigen Bedingungen auseinander, unter denen Menschen nach Europa kommen und hier leben müssen. Österreich gehört zu den europäischen Ländern, die an der Aushöhlung des Flüchtlingsschutzes federführend beteiligt sind und die die Umsetzung gemeinsamer Qualitätsstandards im Asylverfahren behindern. Österreich gehört zu den europäischen Ländern, in denen die politische Mitte bereits Ende der 90er vor den Angriffen der rechten KrawallmacherInnen in die Knie gegangen ist und in denen Stimmungsmache gegen AuländerInnen inzwischen zum Repertoire der Volksparteien zählt.

Im vergangenen Jahr hat SOS Mitmensch den Menschen, der heute im Mittelpunkt steht, Elias Bierdel, in Wien mit dem „Ute Bock-Preis für Zivilcourage“ ausgezeichnet. Dieser Anerkennungspreis ist nach Ute Bock, einer älteren Wiener Dame benannt, die auf eigene Faust und Rechnung hunderte Flüchtlinge in angemieteten Wohnungen untergebracht hat und sie dort mit dem Nötigsten versorgt. Diese Flüchtlinge fallen durch alle Netze der staatlichen Fürsorge und wären ohne die ehemalige Erzieherin von Obdachlosigkeit bedroht. Und das in der Stadt des Opernballs und des Burgtheaters. Frau Bock ist in Österreich eine Kultfigur. Mit herbem Wiener Schmäh trotzt sie denen, die im Asylsuchenden nicht mehr den Menschen sehen können und richtet manch geknickte Seele mit grantelnder Güte wieder auf. Mit ihrem Grundsatz, den Menschen in den Vordergrund zu stellen, gilt die bescheidene Frau vielen als großes Vorbild. Die alleinstehende Rentnerin Frau Bock ist jetzt 67 Jahre alt. Sie hat heute nichts mehr zu verlieren, weil sie hergibt was sie hat. Das verleiht ihr eine Unerschrockenheit, die Viele ermutigt.

Mit dem „Ute Bock-Preis für Zivilcourage“ würdigt SOS Mitmensch Menschen, die sich in besonderer Weise um die Durchsetzung der Menschenrechte verdient gemacht haben. Öffentliche Anerkennung soll den TrägerInnen den Rücken stärken und etwas von der Unbeirrtheit der Ute Bock mitgeben. Denn Zivilcourage hat selten etwas mit Romantik zu tun. Menschenrechte schützen die Schwächeren vor den Stärkeren und wer sie durchsetzen will, muss das gegen die Interessen der Mächtigen tun. Das macht MenschenrechtsschützerInnen selbst zur Zielscheibe.

Elias Bierdel hat mit seiner Rettungsaktion in eine klaffende Wunde des Kontinents gestoßen. Wir wurden gebeten, die Huldigung des Preisträgers der Laudatorin zu überlassen, aber: Es ist der Verdienst des Elias Bierdel, dass sich niemand mehr auf Unwissenheit ausreden kann. Unwissenheit darüber, dass durch die Politik der militärischen Flüchtlingsabwehr Europas Vision von Freiheit und Menschenrechten buchstäblich zu Grabe getragen wird. Elias Bierdel hat sich dabei mit mächtigen GegnerInnen angelegt. Die Kriminalisierung durch die italienischen Behörden hat ihre Wirkung nicht verfehlt und auch in Deutschland für Verunsicherung gesorgt. Manche haben ihm eigennützige Motive vorgehalten, manche haben sich sogar genötigt gesehen, von ihm abzurücken. Aber Elias Bierdel hat nicht locker gelassen. Elias Bierdel hat auch nicht locker gelassen, als sein Name auf dem Spiel stand, seine wirtschaftliche Existenz und seine Gesundheit. Selbst in großer Bedrängnis hat er den Blick aufs Wesentliche zurück gelenkt: der Einhaltung menschenrechtlicher Standards im Mittelmeer. Deshalb, meine sehr verehrten Damen und Herren, gratulieren wir der ethecon Stiftung zur Wahl des Preisträgers für den „Blue Planet Award 2010“. Sie haben die richtige Wahl getroffen.

Lieber Elias! Wir freuen uns mit dir aus ganzem Herzen über die Zuerkennung dieses wichtigen Preises. Es erfüllt uns mit besonderer Zufriedenheit, dass du jetzt nach deiner vollen Rehabilitierung auch in deinem Heimatland die Anerkennung bekommst, die du verdienst.