Grußwort Sylvia Kotting-Uhl, MdB / Bündnis 90/Die Grünen

Den diesjährigen Schmähpreis der Stiftung ethecon, den Internationalen ethecon Black Planet Award 2011, hat sich TEPCO wahrlich verdient. TEPCO hat mit Leichtfertigkeit und Verantwortungslosigkeit die größte Nuklearkatastrophe der Industrienationen verursacht. Das hat seinen Beginn darin, in einem für seine Erdbeben bekannten Land überhaupt Atomkraftwerke zu bauen – da steht TEPCO allerdings nicht allein. Ob das Erdebeben und der Tsunami vom 12. März allein die Havarie der Reaktoren von Fukushima Daichi verursacht haben oder TEPCO durch bessere Vorsorge das hätte verhindern können, werden wir wohl nie ehrlich erfahren.

Dazu kommt die Arroganz, mit der die TEPCO-Manager in den ersten Tagen nach dem GAU die Schwere des Unglücks herunterspielten und versuchten den Eindruck zu erwecken sie hätten alles im Griff. Dadurch wurden notwendige Evakuierungsmaßnahmen verzögert. Ob das eigene Unkenntnis, Unfähigkeit oder bewusste Täuschung war, spielt keine Rolle. Wer mit dem Betrieb von 10 Reaktoren – Fukushima I und II – Verantwortung für die Sicherheit von Millionen Menschen übernimmt, muss auf dem Stand von Wissenschaft und Technik und mit hoher Transparenz arbeiten.

Im Mai diesen Jahres war ich mit einer japanischen Gruppe in der Präfektur Fukushima unterwegs und habe unter anderem Gespräche mit Flüchtlingen geführt. Diese Menschen, die dank TEPCO alles verloren haben – ihr Zuhause, ihre materielle Existenzgrundlage, ihr soziales Umfeld – hatten nicht den Eindruck, dass das diese Firma interessierte. „Von TEPCO kann man nichts erwarten!“ sagte mir der Bürgermeister eines Ortes, der gerade evakuiert wurde.

Die Energiekonzerne Japans haben eine große Macht, die sie bedenkenlos nutzen. Die Medienkonzerne gehören ihnen zum Teil, sie haben starken Einfluss auf die Politik. Der Konzern TEPCO ist mit seiner Größe „too big to fail“ und verlässt sich darauf, dass der japanische Staat ihn rettet. Der Staat lässt sich von dem Szenario erpressen, dass bei einer Pleite TEPCOs, der den Großraum Tokio mit Strom versorgt, die Stromversorgung in der Hauptstadt zusammenbrechen würde und bezahlt.

TEPCO hat in den vergangenen Jahren Milliarden verdient – offenbar sogar mit manipulierten Strompreisen. Jetzt lässt sich TEPCO mit Steuergeldern retten. Bisherige Schätzungen gehen von 4,54 Billionen Yen (45 Milliarden Euro) Kompensationszahlungen und eine Billion Yen (9,9 Milliarden Euro) für den Abbau der AKW-Ruinen aus. Das wird nicht ausreichen und lässt den tiefen Eingriff in das Leben und das zukünftige Risiko für die Gesundheit Tausender von Menschen unberücksichtigt. Privatisierte Gewinne, sozialisierte Verluste – TEPCO hat offensichtlich kein Problem mit diesem Prinzip.

TEPCO scheint auch nicht bereit aus der Katastrophe von Fukushima Daichi zu lernen. Ihren neben Fukushima I und II dritten AKW-Komplex wollen sie wieder ans Netz nehmen. Dabei wurde Kashiwazaki-Kariwa bereits 2007 von einem Erdbeben beschädigt. Hier wäre die japanische Regierung gefragt Konsequenzen zu ziehen. TEPCO scheint außer dem unternehmerischen kein anderes Interesse zu kennen. Für den diesjährigen Schmähpreis ist TEPCO jedenfalls ein würdiger Preisträger!

Ich möchte aber hinzufügen, dass das Verhalten TEPCOs, der wider alle Erfahrungen unerschütterliche Glauben an die Beherrschbarkeit der Atomkraft und die Bereitschaft Risiken und Verluste an die Gesellschaft zu übertragen, TEPCO aus der Zahl der weltweiten Atomkonzerne nicht singulär heraushebt. Insofern finde ich, dass TEPCO den Preis auch ein Stück weit stellvertretend für die Atomkonzerne dieser Welt bekommen sollte.